Die lästige Verwandtschaft

Die Geschichte der drei monotheistischen Religionen untereinander ist theologisch gekennzeichnet durch Motive der Konkurrenz, Abwertung, Abgrenzung, Ablehnung, Überbietung. Darauf aufbauend konnten immer wieder Diskriminierung, Verfolgung und Blutvergießen entfacht und legitimiert sowie politische und ökonomische Absichten kaschiert werden. Diese Prozesse halten bis heute an. Die Fotoreihe soll gegenüber dieser Gewaltgeschichte der »ungewollten Verwandtschaft« nachspüren. Sie will eine Ahnung ausdrücken, dass Judentum, Christentum und Islam weit mehr voneinander durchdrungen sind, als dies die Abgrenzungsgeschichte suggeriert. Dabei sollen die jeweiligen Eigenheiten nicht in eine vereinnahmende Gemeinsamkeit aufgelöst werden. Es geht um Nähen, Ähnlichkeiten, Verwandtschaften. Die Fotos haben, auch wenn sie nicht alle in Deutschland entstanden sind, einen direkten Bezug zum Verhältnis des Islam zum konstruierten »jüdisch-christlichen Abendland«, das nicht unabhängig sein kann von den Entwicklungen, Spannungen und Auseinandersetzungen in anderen Teilen der Welt.

Das Altarkreuz wirft in die Kuppel einen Schatten in Halbmondform. »Im Licht« als Symbol Gottes wird die Verbindung beider Religionen sichtbar und lässt nach der gegenseitigen Durchdringung fragen. Von Georg Wenz
Zwei muslimische Frauen werfen einen Blick auf die abgebildeten Maria und Jesus. Das Plakat steht in der ehemaligen Kirche und ehemaligen Moschee Hagia Sophia in Istanbul und zeigt Mutter und Sohn in christlich orthodoxer Ikonographie. Das Lächeln in den Gesichtern der beiden vorübergehenden Frauen ist freundlich, zugewandt, spontan.Von Georg Wenz
Eine muslimische Frau besucht die neue Synagoge in Mainz. Kopftuch und Kippa deuten als Ausdruck der Gottesfurcht und Bescheidenheit vor Gott die Nähe zwischen dem jüdischen und dem islamischen Menschenbild an, das sich auch im Christentum wiederfindet. Von Georg Wenz
Abraham nötigt drei vorbeikommende Männer zur Einkehr in sein Zelt und verköstigt sie reichlich. Sie entpuppen sich als Boten Gottes. In der Nachfolge Abrahams spielt die Gastfreundschaft in den drei Religionen eine herausragende Rolle. Und wer weiß: Vielleicht speist man mit dem Anderen ja auch einmal einen Engel? Von Georg Wenz
Wein spielt in allen drei monotheistischen Religionen eine Rolle - diesseits oder im Jenseits. Die theologischen Wertungen weichen wie der rituelle Gebrauch voneinander ab. Im Aushalten dieser Differenz in der Alltagsbegegnung liegt ein Schlüssel zum gegenseitigen Respekt.Von Georg Wenz
Die Einsicht in die Unverfügbarkeit Gottes ist das einende Band zwischen Judentum, Christentum und Islam. Von ihm aus wird die Verabsolutierung der eigenen Überzeugung als menschliche Erhebung an Gottes Statt ad absurdum geführt. Gott bleibt am Ende unerkennbar, nur zu verehren, wie hier in der Kalligraphie, die über sich hinausweist und darin dem Fenster als Öffnung zur Außenwelt des Anderen korrespondiert.Von Georg Wenz