Ein Leuchtturmprojekt der deutschen Wirtschaft in Algerien bricht in sich zusammen. Woran scheitert das Centrotherm-Konsortium? Und stellt der Fall die Richtlinien der internationalen Bauwirtschaft in Frage?
In Blaubeuren wird für gewöhnlich zugepackt: Selbst das Wappen der Gemeinde im Alb-Donau-Kreis zeigt ein »Männle« im Blaumann mit Hirschgeweihen in der Hand. Aber der Centrotherm Photovoltaics AG, Blaubeurens größtem Arbeitgeber, ist der Zwölfender entwischt. Noch Anfang Juni meldete sich die gebeutelte Solarfirma »saniert« aus einem Insolvenzverfahren zurück. Dann kam das Unglück mit Algerien.
Dort hatte der Konzern 2011 im Konsortium mit der US-Firma Kinetics eine Ausschreibung für den Bau einer Photovoltaik-Fabrik gewonnen. Auftragsvolumen: 296 Millionen Euro. Die algerischen Kunden klagten immer wieder, dass die Arbeit an dem Werk rund 30 Kilometer westlich von Algier nur schleppend voranging. Zudem sei Centrotherm durch die Insolvenzfalle kein zuverlässiger Partner mehr.
Mitte Juni kündigten die Auftraggeber Rouiba Éclairage und CEEG – beide sind 100-prozentige Töchter des Staatskonzernes Sonelgaz – den Deal, obwohl Centrotherm sich mit den Gläubigern geeinigt hatte. Es ist der bislang schwerste Rückschlag für die deutsche Wirtschaft in Algerien. Kurz zuvor war die Deutsche Bahn aus »Compliance-Gründen« von dort abgerückt. Noch Ende 2011 lobte Christoph Partsch, Chef der Deutsch-Algerischen Handelskammer, in zenith die Geschäftschancen und forderte mehr politische Unterstützung für deutsche Firmen in Algerien.
Centrotherm habe damals den Auftrag »ganz auf sich allein gestellt« an Land gezogen. Auch Partsch ist nun frustriert, zumal das Scheitern des Projekts Algeriens Energieversorgungsprogramm gefährde. Mit einem Verbrauchswachstum von 18 bis 24 Prozent »würde nicht einmal ein Industrieland wie die Bundesrepublik fertig.«
Ein Bankaval über 58 Millionen Euro steht nun auf dem Spiel
Centrotherm ließ mitteilen, dass die Kündigung »keine negativen Auswirkungen auf den Cash Flow der Gesellschaft« habe. Heikel für das Unternehmen ist allerdings etwas anderes: Die algerischen Staatsbetriebe wollen sich nun die Garantie-Bonds ziehen. Das sogenannte Bankaval sicherte die Bietungsgarantie des Konsortiums. Mit 58 Millionen Euro dürfte es weit höher liegen als die Vorauszahlungen, die Centrotherm und Kinetics bereits für das Projekt erhalten haben; diese belaufen sich üblicherweise auf zehn Prozent des Gesamtvolumens.
Derzeit läuft ein Schiedsverfahren in Paris, dessen Ausgang auch eine Kette von Rückversicherern interessieren dürfte. Wenn die Kunden ihren Anspruch auf die Garantie-Bonds bei der Algerischen Nationalbank durchsetzen, bedient sich diese bei der Arab Bank, die sich das Geld wiederum vom deutschen Kreditversicherer Euler Hermes holt. Das Gebot war über eine sogenannte Hermes-Bürgschaft des Bundes abgesichert, also könnte der Steuerzahler für einen Teil der Garantien haften.
Denn aufgrund früherer Einigungen aus dem Insolvenzverfahren kann sich Euler Hermes nur bis zu 30 Prozent der Garantiesumme von Centrotherm zurückholen. Ein Lichtblick und »Zeichen halbwegs unabhängiger Justiz«, so heißt es in Blaubeuren, sei, dass ein Gericht in Algier Ende Juni einer einstweiligen Verfügung des Unternehmens stattgegeben hat: Die Garantien dürfen nicht gezogen werden, bevor das Pariser Schiedsgericht gesprochen hat.
Verabschiedet sich Algier von Erneuerbaren Energien?
Über die Gründe des Zerwürfnisses wird indes spekuliert. Man mag sich fragen, warum Centrotherm über zwei Jahre nach der gewonnenen Ausschreibung noch über
die Vertragsgestaltung verhandelte. Sinn eines solchen Verfahrens ist ja, dass man Paramater, Leistungen und den Preis festlegt. Angeblich kannte das Unternehmen schon bei Ausschreibung das Bauterrain und dessen geologische Beschaffenheit. Aber offenbar stellte man erst später fest, dass die Fabrik in einem Erdbebengebiet entstehen sollte – obwohl die Photovoltaik-Branche mit hochgiftigen Chemikalien hantiert.
Ein neuer Bauplan sah vor, das Werk auf 5.000 Säulen aus verdichtetem Schotter zu errichten, damit es im Fall seismischer Bewegungen sicher »schwimmt«. »Das hat uns etwa zwölf Monate zurückgeworfen«, sagte Projektmanager Volker Kinzig im Februar 2013. Bis 2015 solle das Werk aber fertigwerden. Dem 2012 angetretenen, neuen Centrotherm-Management war dennoch mulmig – die Vereinbarung entsprach zwar den aktuellen Musterverträgen aus dem »Silver Book« des internationalen Dachverbands der Bauindustrie (FIDIC). Aber genau dort sehen manche Juristen ein gravierendes Problem.