Bei dem Anschlag auf zwei Moscheen in Neuseeland starben am 15. März 50 Menschen. Medien im Nahen Osten finden unterschiedliche Erklärungen für die Tat, sehen den Terrorakt aber vor allem im Lichte der eigenen Erfahrungen. Eine Presseschau.
Al-Hayat
»Der Terror des Westens ist gefährlicher als der vom IS«, schreibt Khaled Darraj in seinem Artikel in der pan-arabischen Tageszeitung Al-Hayat. Damit lenkt die von Saudi-Arabien finanzierte Zeitung den Blick auf den Westen: Denn während der IS mit Hilfe westlicher Militärtechnologie belagert werde, sei der »Terror im Westen stärker denn je.«
Dieser Terror, erklärt er, zeige sich seit Jahren in Angriffen des Westens und seiner Stellvertreter auf Muslime. Dadurch sei »Terrorismus als Vorgehensweise im muslimischen Glauben« konstruiert worden. Der Anschlag des australischen Extremisten in Neuseeland sei da nur ein »belangloses Hintergrundrauschen«, das das wahre Ausmaß der Islamophobie in der westlichen Welt verschleiere.
Al-Akhbar
Die libanesische Tageszeitung Al-Akhbar, bekannt für ihre Nähe zur Hizbullah, schlägt in die gleiche Kerbe. Kommentator Amir Muhasan sieht den Attentäter Brenton Tarant nicht als Randphänomen, sondern als »Teil der rechten Masse«, deren Rassismus zu einem Trend geworden sei.
»Jedes farbige Kind im Westen ist für sie Beweis einer demographischen Invasion und jedes Symbol einer fremden Kultur Ausdruck einer Besatzung«, erklärt er ihre Ideologie. Zwar ließen sich die westlichen Regierungen nicht davon beeinflussen, widersprüchlich würden sie aber trotzdem handeln. Angriffe auf Muslime lehnen sie in ihren Ländern ab, »die Angst vor dem Bösen« zeige sich jedoch dann im Ausland: »Die Devise des US-Militärs ist: Wenn du Araber töten willst, greife nicht das Haus deines Nachbars an, sondern trete einfach in die Armee ein.«
Al-Bayan
Die Tageszeitung Al-Bayan mit Sitz in Dubai wurde 1980 auf Regierungsinitiative hin gegründet und ist noch heute in Besitz der regierenden Familie Al Maktum. Der Anschlag dient hier vor allem als Gelegenheit zur positiven Selbstdarstellung der Vereinigten Arabischen Emirate. Der Kommentar, der in der Autorenzeile die Zeitung als Ganzes setzt, bewirbt sich selbst als »Botschaft aus dem Heimatland der Toleranz«.
Denn der »schreckliche Anschlag [...] betont und bekräftigt die Botschaft der Vereinigten Arabischen Emirate, die sie mit der Designation des Jahres 2019 als ›Jahr der Toleranz‹ senden«. Dann folgt noch ein Hinweis auf die »Konferenz zur Brüderlichkeit«. Das Event, bei dem Papst Franziskus und Ahmed Al-Tayeb, Großimam der Al-Azhar, im Februar in Abu Dhabi aufeinandertrafen, sei »eine historische Initiative für die Menschlichkeit«.
Arab48
Der thematische Fokus der Online-Zeitung Arab48 liegt auf den palästinensischen Autonomiebestrebungen. Autor Bassel Maghrabi nutzt den Terroranschlag für einen Seitenhieb auf Israel und lenkt die Aufmerksamkeit beispielsweise auf »das in Form und Inhalt ähnliche Massaker in der Ibrahim-Moschee in Hebron [...], bei dem 29 Palästinenser getötet und 150 verwundet wurden«.
Weiter schreibt er von der »Besatzungsmaschine« in Palästina, die beweisen würde, dass »der weiße Mann das Töten anderer nicht verurteilt«. Für Maghrabi ist der Täter ein »Kolonisator«. Er sieht eine Analogie des Terroraktes mit kolonialen Verbrechen und bezieht sich dabei auf das Video des Attentats: »Der Film verkörpert die Taten der Kolonialisten an allen Orten«. Zum Beispiel im Land von »Uncle Sam«, in dem »mehr als 130 Millionen amerikanische Ureinwohner vernichtet wurden«.
Israel Hayom
Israel Hayom ist die meistgelesene Zeitung des Landes und trägt den inoffiziellen Spitznamen »Bibiton«, was so viel heißt wie »Benjamin Netanyahus Zeitung«. Zwar gehört die Gratiszeitung dem US-amerikanischen Geschäftsmann Sheldon Adelson, der aber ist ausgewiesener Unterstützer des israelischen Ministerpräsidenten.
Kommentator Amnon Lord reiht den Terroranschlag ein in eine Abfolge von »Mega-Angriffen ideologischer Anhänger der White Supremacy«. Juden würden durch den Anschlag unweigerlich an das Massaker in der Pittsburgher »Tree-of-Life«-Synagoge im Oktober 2018 erinnert – Skandinavier an Anders Breivik.
Den Palästinensern wirft er allerdings vor, den jüngsten Anschlag zu instrumentalisieren, indem sie an das Hebron-Massaker von 1994 erinnern – so wie auch bei Arab48 – und so »das Propaganda-Feuer auf Israel loslassen«. Am Ende beteiligt er sich aber selbst daran: »Eine Verbindung zwischen dem Abschuss zweier Raketen von Gaza nach Tel Aviv und den Anschlag auf Neuseeland will ich nicht ausschließen.«