Jede Woche fragen wir einen Nahost-Korrespondenten: Wie halten Sie es mit Scholl-Latour, dem großen Erklärer der arabischen Welt? Diese Woche antwortet Oliver Mayer-Rüth, ARD-Korrespondent in Istanbul.
Ein halbes Jahrhundert lang berichtete der Fernsehjournalist Peter Scholl-Latour von Krisenherden in Afrika und Asien, erzählte vom islamischen Wesen und ärgerte damit Wissenschaftler. Im Sommer 2014 verstarb der Bestsellerautor mit 90 Jahren. Wer erklärt den Deutschen nun den Orient? zenith nimmt Kandidaten unter die Lupe. Diese Woche: Oliver Mayer-Rüth, ARD-Korrespondent in Istanbul.
- Geboren: 9. August 1972 in Erlangen
- Wohnort: Istanbul
- Ausbildung: Germanistik, Spanisch, Kommunikationswissenschaft an der Otto-Friedrich-Universität in Bamberg. Zwei Auslandssemester in Maracaibo, Venezuela. Diplom-Abschluss 2000. Viele Praktika bei ARD-Sendern.
- Karriere: Seit 1999 beim Bayerischen Rundfunk. Erst im Studio Franken, dann Auslandsberichterstattung aus Rom, Athen, Irak (Irak-Krieg 2003), Pakistan, Afghanistan. 2006-2011 Korrespondent in Tel Aviv. 2011-2015 Korrespondent im ARD-Hauptstadtstudio Berlin. Seit 2016 Korrespondent in Istanbul.
Wie kamen Sie dazu, Nahost-Journalist zu werden?
Der Bayerische Rundfunk unterhält für die ARD unter anderem Studios in Tel Aviv, Istanbul und Teheran. Es gibt für Journalisten kaum spannendere Orte auf der Welt, finde ich. Als ich 1999 noch während meines Studiums anfing für den BR zu arbeiten, wusste ich gleich, wo ich eines Tages hin will. Zwischen 2006 und 2011 war ich Korrespondent in Israel. Jetzt bin ich hier in Istanbul. Die Chefs in meinem Sender haben mir vertraut. Dafür bin ich dankbar.
Welche nahöstlichen Sprachen beherrschen Sie?
Hebräisch und inzwischen auch einigermaßen Türkisch. Die Taxifahrer in Istanbul sind oft Anhänger der jetzigen Regierungspartei AKP oder der Nationalisten. Mit ihnen unterhalte ich mich kontrovers über die türkische Politik. Um unseren Zuschauern ein realistisches Bild vermitteln zu können, dürfen wir nicht nur mit Anhängern der Opposition sprechen.
Der Orient riecht nach ...
Zurzeit nach Cay und Turk Kavesi (Türkischer Kaffee). In Tel Aviv und Ramallah am liebsten nach Msabaha (warmer Hummus).
Apropos: Wo liegt er eigentlich, dieser Orient?
Während meiner Zeit in Tel Aviv bin ich öfter mit meiner Frau und unseren Söhnen auf den Sinai nach Ägypten gefahren. Dort haben wir direkt am Roten Meer bei Beduinen in einfachen Hütten geschlafen und unter großen weißen Baldachinen auf Liegekissen stundenlang Backgammon gespielt. Das war für mich ein echt positives Orient-Gefühl.
Drei No-Gos für westliche Reporter im Nahen Osten?
Den Menschen vor Ort misstrauen. Alkohol trinken, wo sonst eigentlich keiner Alkohol trinkt. Die Religion und religiöse Regeln in Frage stellen.
Ihr größter journalistischer Fauxpas?
Bei einer Live-Schalte in den Tagesthemen aus Erbil während des Irak-Kriegs 2003 war ich total nervös und habe ständig von den Kürden und den Turken geredet. Das war echt peinlich.
Am meisten über den Orient gelernt habe ich ...
Ich lerne jeden Tag Neues. Man lernt ja nie aus. Viel lernt man, wenn man sich neben Gesprächen mit Politikern, Wissenschaftlern und Geschäftsleuten auch mit einfachen Menschen unterhält und versucht, deren Sorgen und Nöte zu verstehen.
Ein Roman über die Region, den jeder gelesen haben sollte.
Für die Türkei: Yasar Kemal: »Die Disteln brennen«. Für Israel: Amos Oz: »Die Geschichte von Liebe und Finsternis«.
Peter Scholl-Latour war für mich ...
... einer der wenigen, die den sogenannten Arabischen Frühling skeptisch gesehen haben und damit aus meiner Sicht ziemlich richtig lag. Das konnte er, weil er so oft selbst in diesen Ländern war und ahnte, was folgen würde.
Die Geschichte, die sie schon immer machen wollten, zu der Sie aber nie kamen.
Ich würde gerne mal eine Reportage über Belutschistan machen. Mein persischer Freund Afshin hat mir immer wieder erzählt, dass er als kleiner Junge mit seinem Vater einmal in Belutschistan an der iranisch-pakistanischen Grenze war und er das Gefühl hatte, es gäbe kein wilderes Stück Land auf der Welt.