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Trump, Iran und das Militär in der arabischen Welt

Die arabische Nato wird der Hammer

Kommentar
Kolumne Daniel Gerlach

Be careful what you wish for: Trump und einige Freunde wollen eine arabische Nato gründen. Die Sache könnte einschlagen. Fragt sich allerdings, bei wem.

Mit der Nato steht Donald Trump irgendwie auf Kriegsfuß, wobei Beobachter vermuten, dass es hauptsächlich um das Eine gehe. Der US-Präsident wünsche sich Bündnispartner, die das Portemonnaie mindestens genauso locker sitzen haben wie das Messer. Und denen gegenüber die USA zwar Lieferaufträge, aber keine Bündnispflichten zu erfüllen haben. Eine arabische Militärallianz soll her, eine »Middle East Security Alliance«.

 

Das Akronym MESA ist ein wenig unfreiwillig komisch. Es steht bereits – unter anderem –für die »Middle East Studies Association«, einen in Trump-Kreisen als links und pro-palästinensisch verschrienen Berufsverband amerikanischer Nahostforscher. Und es klingt bereits ein bisschen nach Mesalliance.

 

So nannte man in adligen und großbürgerlichen Kreisen eine Heirat, der aufgrund eines hohen Statusunterschiedes zwischen den Eheleuten wenig Aussicht auf Erfolg beschieden war. Das wird nichts, die beiden passen nicht zusammen!

 

Verschiedene amerikanische Medien haben in den vergangenen Wochen berichtet, dass der – bereits vor einem Jahr noch als eher fixe Idee in Umlauf gebrachte – Plan nun bald Gestalt annehmen soll: Schon im Oktober will Washington mit potenziellen arabischen Interessenten Butter bei die Fische machen.

 

Manche Skeptiker vermuten, auch hier sei wieder nur der Mammon Vater des Gedankens. Trump wolle Saudi-Arabien und andere, die es sich leisten können, mit Kampflugzeugen, Panzern, Raketen und Sperranlagen zusch(m)eißen, bis sie die Sonne nicht mehr sehen. Wohler Meinende vermuten, die Amerikaner wollten der arabischen Welt die Illusion verkaufen, dass sie die Politik im Nahen Osten weiterhin gestalten – bei möglichst geringen Opportunitätskosten.

 

Nun sind die Prioritäten der Trump-Administration im Nahen Osten hinlänglich bekannt. Erstens: Die Organisation »Islamischer Staat« vernichten, oder besser gesagt das, was amerikanische Diplomaten mitunter als das »physisch existente Kalifat« bezeichnen. Zweitens: Iran und iranischen Einfluss zurückdrängen – wohin, wieweit und mit welchen Mitteln wird man dabei noch sehen.

 

Drittens: Israel als jüdischem Staat maximalen Handlungsspielraum geben, um seine Sicherheits- und Territorialinteressen schnell und vollumfänglich durchzusetzen. Eine MESA sollte, so zumindest wünscht es sich die Trump-Regierung, aktiv bei der Verwirklichung eines oder mehrerer dieser drei Projekte helfen. Zumindest aber soll sie keinem davon im Wege stehen.

 

Darüber hinaus fragt man sich allerdings: Wie wäre eine »arabische Nato« innerlich verfasst? Und gegen wen könnte sie sich – jetzt, aber auch in Zukunft – richten?

 

Arabische Solidarität: Man hilft sich, wo man eben kann

 

Geht man davon aus, dass sich die MESA um Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten gruppiert und eventuell Jordanien und Marokko dazukämen, kann man von einer schlagkräftigen militärischen Allianz sprechen. Diese Staaten könnten einen gemeinsamen Rat und einen Militärausschuss gründen. Sie würden gemeinsame Ausbildungsprogramme, Qualitätsstandards und Codes entwickeln. Und – für etwaige Auslandseinsätze oder den Bündnisfall – ein gemeinsames Kommando.

 

Wie im Fall der Nato müsste man davon ausgehen, dass irgendjemand früher oder später den Rat der Mitgliedsstaaten dominiert: Saudi-Arabien etwa oder die Emirate würden das versuchen und womöglich mit Ägypten, das die zahlenmäßig größte arabische Armee stellt, in Konkurrenz geraten. Ob man sicherheitspolitische Fragen dann in der großen Runde klärt oder für sich allein, hinge von einer jeweiligen Kosten- und Nutzenrechnung ab.

 

Die beiden mächtigen Golfstaaten würden hin und wieder militärische Operationen durchführen und sich dafür von Ägypten, Marokko oder Jordanien dreierlei abholen: politische Rückendeckung, militärisches Knowhow und vor allem kampferprobtes Personal.

 

Das passiert allerdings heute schon, weshalb die Gründung einer verfassten Allianz nicht wirklich nötig wäre. Und selbst eine Art Bündnisverpflichtung besteht theoretisch bereits seit 1950: Damals unterzeichneten die Mitglieder der Liga der Arabischen Staaten ein Abkommen, um sich gegenseitig im Falle eines Angriffs beizustehen.

 

Die Idee einer arabischen Allianz ist insgesamt alles andere als neu, nur haben sich die Vorzeichen stark verändert: 1948 kämpften arabische Truppen, darunter auch Marokkaner und Iraker, in der »Befreiungsarmee« Jaysh al-Inqadh gegen Israel.

 

2007 plante die Arabische Liga eine gemeinsame Eingreiftruppe zur Stabilisierung im Südlibanon, Darfur, Somalia und im Irak. 2015 wollte die Arabische Liga eine gemeinsame Friedenstruppe für Syrien ausheben, was allerdings scheiterte. Im selben Jahr rief Saudi-Arabien sogar die Gründung einer Anti-Terror-Allianz aus 40 hauptsächlich sunnitischen Ländern der islamischen Welt aus, was allerdings eher in einem PR-Desaster endete.

 

Immerhin rangen sich Saudi-Arabien, die Emirate, Katar und Jordanien damals dazu durch, Angriffe gegen die Organisation »Islamischer Staat« in Syrien zu fliegen, wobei die arabische Koalition der Willigen sich schon bald wieder dem Krieg im Jemen widmete.

 

Israel ist nicht gemeint. Aber wer weiß schon, wer demnächst wieder einen Krieg anzettelt.

 

Eine arabische Allianz, wie man sie heute plant und wie sie Trump sich augenscheinlich wünscht, braucht aber potenzielle Gegner – am besten äußere, nicht-arabische, sonst käme sie sich ja ein wenig überflüssig vor.

 

Neben dem üblichen Verdächtigen Iran wäre theoretisch das Szenario eines Konflikts mit der Türkei denkbar. Man stelle sich vor, Erdoğan oder ein noch größenwahnsinniger Nachfolger strebten danach, die Türkei zum Öl- und Erdgastransitland zu machen, dauerhaft in Syrien zu bleiben, einen Regimewechsel zugunsten der Muslimbrüder in arabischen Staaten voranzutreiben, oder am Golf und am Horn von Afrika mit militärischen Mitteln ihre Einflusszonen abzusichern.

 

Da wäre noch Äthiopien: Die boomende Wirtschaftsmacht hat inzwischen die zweitgrößte Bevölkerung des afrikanischen Kontinents – eine große Armee und große Ambitionen. Und mit den Ägyptern liegt sie unter anderem wegen des Nil-Wassers über Kreuz.

 

Gegen Israel soll sich das Bündnis nach dem erklärten Willen der Beteiligten nicht richten. Aber: Be careful what you wish for. Mit Ägypten und Jordanien hat der jüdische Staat zwar Friedensabkommen und keine Territorialkonflikte und das Folgende gilt als unwahrscheinlich: Aber wer möchte schon ausschließen, dass in Jerusalem in ferner Zukunft echte Fanatiker an die Macht kommen und es mit den Nahostkriegen noch einmal von vorn losgeht. (In Jordanien und Ägypten könnte das zwar auch passieren, aber davon reden wir später).

 

Die gute Nachricht: Obwohl die ganze arabische Welt ihren Ruf als »Pulverfass« weg hat, gibt es dort verhältnismäßig wenige bewaffnete Konflikte zwischen den Staaten. Die Spannungen eskalieren bisher zumindest nicht.

 

Saudi-Arabien, Bahrain und die Emirate boykottieren Katar. Marokko und Algerien streiten sich wegen der Westsahara; Ägypten, die Emirate und Katar wegen des Bürgerkriegs in Libyen. Auch der Sudan mischt dabei mit, spielt aber eine kleine Rolle. Etwas weniger im Rampenlicht: Dschibuti, Somalia und die Emirate, die gerade das sezessionistische Somaliland aufwerten, weil man ihnen anderswo versagt hat, eine Militärbasis zu bauen.

 

Die blutigsten Konflikte in der arabischen Welt werden hingegen zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren ausgetragen: Jemen, Syrien, Libyen, Irak.

 

Dabei haben sich arabische Staaten seit 2011 des Öfteren beigestanden – gegen Umsturzversuche, die wiederum von anderen arabischen Staaten unterstützt wurden. In Bahrain schlugen die Mitglieder des Golfkooperationsrats (GCC) einen Aufstand nieder, mit Hilfe von jordanischen Söldnern.

 

Irakische und libanesische Milizen haben in Syrien auf Seiten des Regimes eingegriffen – gegen Rebellen, die unter anderem von Katar, Saudi-Arabien und zum Teil sogar Jordanien unterstützt wurden. Ägypter und Emiratis kämpften in Libyen gegen Dschihadisten und gegen die Truppen einer von Katar unterstützten Gegen-Regierung. Saudi-Arabien, die Emirate und ihre Verbündeten für die Wiedereinsetzung einer von Rebellen gestürzten Regierung im Jemen.

 

Darüber hinaus kämpfen natürlich alle irgendwie gegen den Terrorismus. Mal gemeinsam und mal jeder für sich allein, je nachdem, was man gerade als Terror definiert.

 

Die arabische Allianz und ihre Werte

 

Ihre Gegner haben den arabischen Regimen oft vorgeworfen, sie seien feige. Grund zur Annahme, dass sie dämlich wären, gibt es hingegen nicht. Die gesamte arabische Welt weiß, dass Saudi-Arabien und – in etwas geringerem Ausmaß auch die Emirate – den historischen Glücksfall Trump in ihrem Sinne nutzen. Um sich an die Spitze der arabischen Welt zu setzen und ihre Macht auf die Region zu projizieren.

 

Damit möchten sie dem begegnen, was sie als fortschreitende Destabilisierung der arabischen Welt wahrnehmen. Ihre Strategie richtet sich gegen innere Oppositionen und potenzielle Aufstände – und zeitgleich gegen Iran, das in ihren Augen nicht nur eine äußere Bedrohung darstellt, sondern auch eine permanente innere Stressquelle, weil Iran politische Bewegungen und Milizen unterstützt. In diesem Punkt sind sie auf einer Linie mit Ägypten.

 

Wer heute also über eine arabische Allianz zwischen den genannten Staaten nachdenkt, wird schnell zu dem Ergebnis kommen: Ihr größter potenzieller Feind kommt von innen. Und ihre Aufgabe wird die Konsolidierung der bestehenden Machtverhältnisse sein. Diese Allianz wäre am Ende mehr als nur ein Militärbündnis, sondern eine »Wertegemeinschaft« (Generalsekretär Jens Stoltenberg über die Nato).

 

Wer nun die Werte der beteiligten arabischen Regime teilt, sollte sie beim Aufbau einer Allianz tatkräftig unterstützen. Wer dies nicht tut, sollte es lassen.

Von: 
Daniel Gerlach

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